„Ein Wimpernschlag in der Menschheitsgeschichte“

comment 1
Interview

Freiheit bleibt auch heute eine der Grundfragen der menschlichen Existenz und unseres Alltags. Kaum eine andere Sache ist so alltäglich wie unser Zahlungsmittel. Diese Alltäglichkeit führt aber dazu, dass die wenigsten von uns sich noch Gedanken darüber machen, und inwiefern es eigentlich unfrei ist oder tyrannisch wurde. Bagus, Wirtschaftswissenschaftler und Professor in seinem Fach an der Universität Rey Juan Carlos Madrid, spricht im Interview über verschiedene Aspekte unseres Geldsystems und darüber, wie Alternativen aussehen könnten. Morgen, am 9. Mai, erscheint sein neues Buch „Warum andere auf Ihre Kosten immer reicher werden“, das er zusammen mit Andreas Marquart verfasste.

Prof. Bagus: „Kann ein Geldsystem, in dem einige Privilegierte praktisch ohne Kosten unbegrenzt Geld schaffen können, während alle anderen dies nicht können, wirklich effizient oder gerecht sein? Wir brauchen Freiheit und Wettbewerb im Geldsystem. Ein vollgedeckter Goldstandard, oder auch Bitcoin wären solche Systeme. Nach Gold und Bitcoin kann jeder frei schürfen. Es gibt kein Monopol wie beim Euro, den nur der Staat und die Banken praktisch kostenlos herstellen können. "

Prof. Bagus: „Kann ein Geldsystem, in dem einige Privilegierte praktisch ohne Kosten unbegrenzt Geld schaffen können, während alle anderen dies nicht können, wirklich effizient oder gerecht sein?“

Herr Prof. Bagus, Sie lehren in Madrid an der Universidad Rey Juan Carlos und vertreten die Methodologie der Österreichischen Schule. Was macht diese Schule aktueller denn je? Und warum gibt es kaum eine Universität, in der dieses Verständnis gelehrt wird?

Philipp Bagus: Die Neoklassik mit ihren mathematischen Gleichgewichtsmodellen und ökonometrischen, irrelevanten Spielereien hat sich in eine Sackgasse manövriert. Der Mainstream-Ökonomie gelang es nicht, die Finanzkrise vorherzusehen. Ihr Modell ist grandios gescheitert. Sie hat im Grunde nicht viel zu sagen. Gerade die Finanzkrise hat die Österreichische Schule vielen ins Bewusstsein gespült.
Viele Österreicher haben die Krise prognostiziert und sie lässt sich ausgezeichnet mit der Österreichischen Konjunkturtheorie erklären. Da die Österreichische Schule vom menschlichen Handeln ausgeht, vom kreativen Menschen, der ständig neue Ziele entdeckt und neue Mittel findet, ist sie nicht nur realistisch, sie hat auch sehr viel zu sagen. Sie kann sehr viel erklären. Und viele Menschen dürsten nach Wahrheit. Gerade jetzt. Sie haben das Gefühl, dass sie auch in der Eurokrise von der Politik massiv getäuscht werden. Traditionelle Medien, die nur die politische korrekte Weltsicht transportieren, verlieren daher massiv an Kundschaft. Da kommt die Österreichische Schule und ihre Erklärungspotential gerade recht. Danach suchen doch viele Menschen in diesen Tagen.
Warum die Österreichische Schule kaum gelehrt wird? Ganz einfach. Die meisten Universitäten sind staatlich, die Lehrpläne auch. Die Volkswirte, die an staatlichen Universitäten, ausgebildet werden, können größtenteils in der Privatwirtschaft kein großes Geld machen. Sie werden zu Spezialisten von staatlichen Interventionen ausgebildet und finden dann lukrative Jobs als Politikberater, bei der EZB oder einer Regulierungsbehörde. Tendenziell werden sie die Notwendigkeit staatlicher Eingriffe, vor allem beim Geldsystem, verteidigen. Wes Brot ich ess, dessen Lied ich sing.
Die Analyse der Österreichischen Schule zeigt hingegen, dass all diese Staatseingriffe Folgen haben, die die meisten Menschen als kontraproduktiv bezeichnen würden. Kurzum, die Österreicher sind Kritiker des Staatsinterventionismus und Verteidiger der Zivilgesellschaft. Sie wollen eine freiwillige Lösung von Problemen, was den Staatsuniversitäten letztlich ein Dorn im Auge sein muss.

Ihr aktuelles Buch, das Sie mit Andreas Marquardt gemeinsam veröffentlicht haben, hinterfragt das global herrschende Papiergeldsystem und vor allem auch die Notenbanken. Für die meisten Zeitgenossen erscheint es leicht verrückt, diese – für viele schon fast gottgegebene – Dinge zu hinterfragen. Mit welchem Argument würden Sie jemanden, der an das jetzige Geldsystem noch „glaubt“, überzeugen?

Philipp Bagus: Bis heute sind alle Papiergeldexperimente grandios gescheitert, mit disaströsen Folgen. Man denke an Weimar und den Aufstieg Hitlers. Unser ungedecktes Papiergeld gibt es erst seit rund 40 Jahren. Das ist ein Wimpernschlag in der Menschheitsgeschichte. Die Leute erinnern sich nur nicht mehr an die Alternativen und wie es vorher war.
Wer Wirtschaft- und Finanzkrisen will; wer will, dass von Armen hin zu Superreichen umverteilt wird; wer auf mehr Materialismus und Egoismus setzt; wer will, dass bevormundende Fürsorgestaaten und Kriege finanziert werden können; wer letztlich die Basis unserer Zivilisation zerstören will, der muss ein Papiergeldsystem bis zum Ende verteidigen; und ja, er muss das Papiergeld glauben.
Die meisten Menschen wollen jedoch das Gegenteil. Wie würde ich die Noch-Gläubigen aber überzeugen? Nun ja, mit diesem Ziel haben wir ja gerade unser Buch geschrieben (Warum andere auf Ihre Kosten immer reicher werden). In einem Satz würde ich einfach fragen: „Kann ein Geldsystem, in dem einige Privilegierte praktisch ohne Kosten unbegrenzt Geld schaffen können, während alle anderen dies nicht können, wirklich effizient oder gerecht sein?“

Sie unterscheiden in Ihrem Buch schlechtes Geld vom guten Geld. Was macht das Geld schlecht?

Philipp Bagus: Schlechtes Geld ist Monopolgeld. Schlechtes Geld ist Geld, über das wir die Kontrolle verloren haben, und das von Politikern manipuliert wird. Schlechtes Geld ist zentralistisch, planwirtschaftlich, es wird von einem Zentralbankrat verwaltet. Gutes Geld hingegen wird von der Zivilgesellschaft kontrolliert. Die Menschen entscheiden frei, welches Geld sie benutzen wollen. Es gibt keine Monopole, Privilegien oder Eintrittsschranken. Die Eigentumsrechte werden nicht verletzt.

Gerne werden uns Menschen im Westen politische Führer wie Putin, Erdogan und andere als Diktatoren präsentiert. Abgesehen von der Frage, ob diese wirklich Diktatoren darstellen oder nicht: Haben die Konflikte und Unruhen in unserer Zeit wirklich ihren Grund bei politischen Diktatoren, oder sind diese nicht vielmehr von sekundärer Bedeutung und werden viele Konflikte und Missstände nicht eher von einem ungerechten Geldsystem hervorgerufen?

Philipp Bagus: Generell treten soziale Konflikte und Probleme dort auf, wo der Staat massiv eingreift: Arbeitsmarkt, Bildungs- und Gesundheitssystem, Europäische Umverteilung, etc. Das Geldsystem ist schönes Beispiel dafür. Es bevorteilt die, die das aus dem Nichts geschaffene Geld als erste erhalten. Die einen guten Draht und Zugang zur Notenpresse haben. Das sind Staaten, Großkonzerne, Banken und (Super-)Reiche. Hier gibt es eine Umverteilung, tendenziell von unten nach oben; durch die Vorherrschaft des Dollars läuft dieses Spiel sogar international. Die Preise für Energie und Lebensmittel steigen kontinuierlich.
Bei immer mehr Menschen reicht das Einkommen kaum noch zum Leben auf. Und dann kommt es zu Konflikten. Und dann bekommt, wie in den angesprochenen Ländern, auch die Politklasse Probleme. Schließlich ist die ja – ungeachtet des politischen Systems – immer auf eine gewisse Zufriedenheit der Untertanen angewiesen.

Ist Freiheit heute also vor allem eine Frage der freien Wahl der Währung?

Philipp Bagus: Die Planwirtschaft scheiterte 1989 grandios und wurde diskreditiert. Der einzige Sektor, in dem die Planwirtschaft weitergeht, ist das Geldsystem. Mit furchtbaren Folgen. In Europa haben wir die vier Grundfreiheiten, den freien Verkehr von Waren, Dienstleistungen, Kapital und Menschen. Vergessen wurde dabei die freie Wahl der Währung. Der Euro – die Einheitswährung – führt zur Umverteilung zwischen Nationen und damit zu Konflikten. Langfristig bedroht er die Freiheit, da er starke Zentralisierungstendenzen zugunsten Brüssels auslöst.
Generell erlaubt es ein ungedecktes Papiergeldsystem den Staaten, immer größer zu werden. Und größerer Staaten bedeutet weniger Freiheit für die Bürger, für uns. Denn ein Staat kann nicht größer werden, ohne Bürger einzuschränken und Ressourcen abzunehmen; und damit unsere Freiheit beschneidet. Alles was der Staat uns zur Verfügung stellt, hat er uns vorher ja abgenommen – auch über den indirekten Weg des Geldsystems. Er entscheidet dann für uns, was mit den Ressourcen passiert.

Sie gehen hart ins Gericht mit dem Papiergeldsystem. Was ist jedoch die Alternative? Wie kann eine alternatives Geldsystem konkret aussehen?

Philipp Bagus: Wir brauchen Freiheit und Wettbewerb im Geldsystem. Ein vollgedeckter Goldstandard, oder auch Bitcoin wären solche Systeme. Nach Gold und Bitcoin kann jeder frei schürfen. Es gibt kein Monopol wie beim Euro, den nur der Staat und die Banken praktisch kostenlos herstellen können.

In den Debatten der letzten Jahre fällt auf, dass diejenigen, die das Geldsystem in Frage stellen, schnell als Extremisten oder Antisemiten gebrandmarkt werden können. Sogar der Begriff „Eurokritiker“ ist schon fast zum Schimpfwort mutiert. Woran liegt das?

Philipp Bagus: Eine Abkehr vom staatlichen Geldsystem wäre natürlich radikal. Es würde auch nicht ohne Schmerzen gehen. Aber lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende. Viele können sich das gar nicht vorstellen, dass es Währungswettbewerb gibt. Sie haben sich an das ineffiziente System gewöhnt. Genauso wie 1970 die Menschen glaubten, dass die Telefonie nur vom staatlichen Monopolisten zu dessen Preisen und Service angeboten werden könnte, glauben heute viele, dass es ohne Staatsgeldmonopol nicht geht.
Hinzu kommen die handfesten Interessen von Politklasse und Finanzindustrie, den beiden Hauptprofiteuren des heutigen Geldsystems. Zusammen mit den mit ihnen verbandelten Leitmedien verteidigen sie das heutige Geldsystem eisern. Und beschimpfen jene, die ihre Privilegien in Frage stellen. Beim Euro ist es genauso.

Lieber Prof. Bagus, wir danken Ihnen für das Interview.

http://islamische-zeitung.de/?id=17905


Information: Philipp Bagus und Andreas Marquart, „Warum andere auf Ihre Kosten immer reicher werden“, FinanzBuch Verlag (9. Mai 2014), Taschenbuch, 192 Seiten, ISBN 978-3898798570, Preis: EUR 16,99 

https://www.m-vg.de/finanzbuchverlag/shop/article/3257-warum-andere-auf-ihre-kosten-immer-reicher-werden/

1 Kommentar

  1. Mir kommt es fast so vor, als fristet die Österreichische Schule für Nationalökonomie ein ähnliches Schicksal wie die Homöopathie in der Medizin. Außenseiterlehren, die nicht genug Profit abwerfen, sind an staatlichen Schulen verpönt.

Kommentar verfassen

Trage deine Daten unten ein oder klicke ein Icon um dich einzuloggen:

WordPress.com-Logo

Du kommentierst mit deinem WordPress.com-Konto. Abmelden /  Ändern )

Facebook-Foto

Du kommentierst mit deinem Facebook-Konto. Abmelden /  Ändern )

Verbinde mit %s