
Zaimoglu: „Schreiben ist ein Behaglichkeitsverlust.“ (© Bettina Fürst-Fastré)
Mein Zündfunk-Generator über Feridun Zaimoglu und sein Istanbul
„Das Ganze dauert zwei Tage und zwei Nächte. Man fährt durch den halben Balkan. Als ich ankam hatte ich richtig geschwollene Waden. Und es brauchte ein paar Tage bis sie wieder abgeschwollen waren. Für die Rückreise habe ich mir dann Thrombosestrümpfe gekauft. Sieht nicht gut aus, aber ich kam mit schlanken Waden an. Ich sage immer, was schlecht für mich ist, ist gut für den Roman. Ich wollte ja nicht in eine Komfortzone vorstoßen, Schreiben ist ein Behaglichkeitsverlust.“ Feridun Zaimoglu
Für seinen neuen Roman „Siebentürmeviertel“ ist der Schriftsteller Feridun Zaimoglu viel Bus gefahren. Wegen chronischer Flugangst hat er den Bus genommen: Kiel – Istanbul. Dort ist er durch die Straßen gelaufen und all die Gesichter und Geschichten fügten sich für Zaimoglu zu einer großen Menschenlandschaft zusammen.
Zaimoglu wollte nicht das allseits bekannte Istanbul-Bild reproduzieren. Sein Roman blickt zurück, er handelt von einem deutschen Jungen namens Wolf, der mit seinem Vater aus Deutschland unter dem Naziregime flüchten muss. Das Istanbuler Siebentürmeviertel wird zu seiner neuen Heimat. In diesem Viertel wuchs auch Feridun Zaimoglus Vater auf. Seine Erzählungen waren eine wichtige Quelle für den Autor.
„Man sieht die morschen und windschiefen Holzhäuser, die typischen Holzhäuser mit Erker. Man sieht die kleine Moscheen mit den kleinen Friedhöfen. Man sieht Menschen verschiedener Herkünfte. Als ich vor ein paar Monaten wieder in Istanbul war, habe ich festgestellt, man hat nicht mit dieser alten Tradition gebrochen. Ich sah syrische Flüchtlinge, ich sah Roma-Familien, die in diesen Holzhäusern untergebracht worden sind.“ Feridun Zaimoglu
Das Thema Flucht beschäftigte Zaimoglu auch während seiner Romanrecherche. In Istanbul sind die syrischen Flüchtlinge überall anzutreffen. Einige müssen betteln, andere arbeiten als Kellner oder in Autowerkstätten. Die Hilfsbereitschaft ist enorm. Gleichzeitig sieht sich Feridun Zaimoglu in Istanbul aber auch mit der zunehmenden Gentrifizierung konfrontiert. Die Bauwut ist groß und macht vor einer Verdrängung von armen Bewohnern aus ihren traditionellen Vierteln nicht Halt. Sie müssen Platz machen für Luxusunterkünfte, Shopping Malls und künstliche Kulissen. Dadurch verliert Istanbul aber seinen eigentlichen Flair und Reichtum.
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