„Die Sprachhygieniker können uns Schreiber mal.“

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Seit einigen Tagen läuft eine Debatte über die insbesondere in Kinderbüchern verwendete Sprache. Nach Beschwerden hat der Thienemann Verlag beschlossen den Kinderbuchklassiker „Kleine Hexe“ von Preußler zu modernisieren. Ganz zufällig sprach ich gestern mit meinem Freund Feridun Zaimoglu u.a. auch über dieses Thema, und wie er als Schriftsteller zu dieser Frage steht. Spontan kam dann dieses Interview zustande.

"Das politisch korrekte Sprechen ist eine Sprachstellung der bürgerlichen Verklemmungen."

„Das politisch korrekte Sprechen ist eine Sprachstellung der bürgerlichen Verklemmungen.“

Lieber Feridun, Du bist ja ein Freund der klaren, rauen Sprache. Gerade in Deinen ersten Büchern ging es oft heiß her. Gab es damals Beschwerden über Deine Sprache?

Zaimoglu: Erst sah man in mir den Rüpel aus der Abseite, dann den Salonartisten. Ich scheue nicht das offen Wort; ich bin, wenn es denn die Geschichte mir abverlangt, nicht verlegen, eine Figur in Nachahmung ihrer Wirklichkeit sprechen zu lassen. Lehrer und Kulturkonservative waren entsetzt. Manch ein Buchhändler lud mich als die Attraktion der Saison ein. Nach der Lesung wurde ich aber kühl entlassen. Mein Fehler: Ich nannte den Deutschländer beim Namen. Sehr schnell, schneller als erwartet, wurde aus der Verdammungsvokabel ‚Kanake‘ das Modewort der Salonlinken. Man suchte meine Nähe, ich schleuderte Mauldreck heraus, ich galt als radikal schick. Bald aber wandten sich die Dauerempörten anderen Kulturen und Krisen zu.

Ich erinnere mich noch an die fast schon legendäre Auseinandersetzung zwischen Dir und Heidi Simonis in einer Talkshow zur Anfangszeit Deiner Laufbahn als Autor. Simonis hatte Dich damals in harschen Worten angegangen, weil Du  erstmals in Deinem Buch „Kanak Sprak“ über Dinge geschrieben hattest, die sich bis dahin niemand getraut hatte. Wie ist das, wenn man aufgrund der verwendeten Sprache ins moralische Abseits gestellt wird?

Zaimoglu: Oft bemerke ich, dass man manche Einheimische zum Deutschkurs für Muttersprachler verpflichten müsste. Aus mir spricht kein Streber. Oft wollen Muttersprachler die Fremddeutschen belehren. Ein Politiker spricht nicht richtiges Deutsch, noch kann er wirklich sagen, was er meint. Ich wurde von Abgeordneten, Ministern und Präsidenten fast immer zurechtgewiesen. Sie zweifelten meine Verstandesbegabung an. Sie nannten mich, in feinen Worten, einen Schwindler und moralisch korrumpierten Lumpen. Wer sich nicht an die Etikette hält, gilt als verdorben. Seltsam: Ich halte Literaturkurse ab, man sucht meinen Rat als Lektor und Korrektor.

Mekonnen Meshgena vom Referat „Migration & Diversity“ der Heinrich-Böll-Stiftung fand die „Kleine Hexe“ beim Vorlesen so „rassistisch“, dass er den Verlag alarmierte. Nun hat der Verlag angekündigt Otfried Preußlers Buch sprachlich zu modernisieren. Wie bewertest Du als Autor diesen aktuellen Sprachstreit?

Zaimoglu: Das politisch korrekte Sprechen ist eine Sprachstellung der bürgerlichen Verklemmungen. Das ersetzte Unwort erzeugt eine Leerstelle. Das ‚richtige‘ Ersatzwort besteht aus Pappe, Hirn und Spucke. Es stammt aus dem Fachjargon der Gebildeten und Gelehrten: kein Feuer, keine Entflammungsgefahr, ödes Zeug. Die dunklen Worte – gekappt, verboten, verfemt – setzen sich im Gedächtnis der unteren Volksmassen fest. Ein Dicker heißt nunmehr Bürger mit molligem Hintergrund – man darf ihn nicht mehr als Fettsack bezeichnen. Der von Bildungsingrimm befeuerte Ausländer tilgt das Rauhe und Ruppige. Alle wollen alles verbieten – was soll der Blödsinn? Ich fange gleich mal mit einem kleinen Regelverstoß an: Ficken ist schön.

Muss man als Autor jetzt drei Mal überlegen, was man wie ausdrückt, um niemanden zu verletzen?

Zaimoglu: Ein Autor, der sich vorsieht, wird am Ende nur ein Theorietraktat verfasst haben. Das ist ja das Elend der vertrottelten Fraktion der Kulturelite: Sie füllen die Näpfe mit Trockenfutter. Die Sprachhygieniker können uns Schreiber mal. Wenn wir schreiben, nähern wir uns dem Leben. Wenn wir ein gutes Buch vorlegen, dann haben wir darin auch das Schlammige, Ungeklärte und Verfluchte eingefangen. Wir wollen es so, die Leser wollen es so, und auf die Sprachhygieniker verzichten wir gerne.

Diejenigen, die Du als Sprachhygieniker bezeichnest, kommen aber mit dem Argument, dass man besonders in Kinderbüchern auf die verwendete Sprache achten sollte, um eine tendenziell rassistische Sprache zu verhindern.

Zaimoglu: Ein fanatisierter Korrektor hält den Finger über die Löschtaste. Sein Selbstverständnis: Er gehört zu den Guten. Er begradigt, er berichtigt, und bezähmt damit die Bestie Mensch. Er skandalisiert das unbehagliche Leben. Er retuschiert die Bilder der Entstellung und der Verzerrung. Ein Selbstbetrug. Meist ist der Retuscheur ein Kindskopp mit abgeschlossenem Studium. Die Niedlichkeit ist ein Abschlussfirnis. Er bekämpft nicht das Übel, er dämpft und fälscht.

Auch Du bist ja nicht gerade zimperlich in Deinen Büchern. Würdest Du Dir durch ‚Sprachpolizisten‘ ins Handwerk fuschen lassen?

Zaimoglu: Ich reiche jedesmal ein Manuskript ein; wenn mein Lektor es für anständig befindet, wird es gedruckt. In Deutschland ist der Schreiber sehr frei – er darf schreiben, was er will. Ich wurde noch nie zensiert, von meinen Kolleginnen und Kollegen weiß ich Gleiches zu berichten. Was verbiete ich mir aus Überzeugung? Die Verherrlichung des Faschisten, des Vergewaltigers, des Kinderschänders, des elenden Rassisten. Diese Leute können mich am Arsch lecken.

1 Kommentar

  1. Karl Kraus says

    Na, da gefällt sich aber einer in seiner Literatensprache oder dem, was er dafür hält. Aber Recht hatter.

  2. Maike says

    Recht hat er nicht. Nur, wenn er den Wert seiner Arbeit und den Einflussradius dergleichen auf seine eigene Selbstdarstellung beschränkt sieht. Dem sollte jedoch jede_r Autor_in widersprechen. Journalismus sowie literarisches Schreiben reichen weit und sollen ja nun auch Menschen erreichen. Ein Produkt von und für Menschen sollte sich jedoch stets auch daran messen lassen, ob es die Grundrechte eines/r jeden wahrt. Das heißt nicht, dass ein_e Autor_in niemals provozieren darf. Allerdings muss auch der Kontext betrachtet werden. Kinderliteratur wird von ihren Hauptadressat_innen sicherlich nicht so gründlich hinterfragt, wie ein Kommentar einer großen Tageszeitung. Möchte man also keine bloße Ego-Show ohne Rücksicht auf die Gefühle anderer abliefern, sollte man seine Sprachwahl kritisch überdenken.

    kleiner Anstoß zum Nachdenken:
    http://jetzt.sueddeutsche.de/texte/anzeigen/564840/Ich-finde-es-total-scheisse

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